Zwischen-den-Jahren-Interviews V: Michèle Fischels – "Outline"
Liebe Michèle, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, mit uns über dein frisch erschienenes Debüt "Outline" zu sprechen. Als Comic-Newcomerin werden dich sicherlich die meisten unserer Leser*innen noch nicht kennen. Könntest du uns eingangs ein wenig über dich und deine Comic-Sozialisierung verraten? Wie bist du zum Zeichnen und speziell auf den Comic gekommen? Was hat dich am Comic und seinem narrativen Potential interessiert?
Michèle Fischels: Die meisten Kinder malen ja viel, aber zum Spaß. Genauso habe ich das damals auch gemacht, habe zum Beispiel Sticker abgemalt, die ich schön fand, oder Katzen gemalt, die Abenteuer erleben. Jetzt weiß ich nicht, ob man/ich das so als "den Anfang" bezeichnen kann, weil ich zwar immer das Krickeln mochte, aber es eben nicht mehr als das war – keine besondere Intention dahinter. Ich war auch in der Schule bzw. unter Gleichaltrigen nie das Kind mit dem Steckenpferd "kann gut zeichnen", jedenfalls nicht bis ca. zur Mittelstufe. Damals lag mein Fokus eigentlich auf dem Schreiben – ich wollte gern Schriftstellerin werden. Gerade frag ich mich, welcher Impuls zuerst kam, aber in der 7. Klasse hatte ich eine wirklich tolle Vertretungslehrerin in Kunst, die mir das Gefühl gab, Talent zum Malen und Zeichnen zu haben, weil sie meine Arbeiten (und generell viel) gelobt hat. Das hat meine Motivation für beides plötzlich extrem gesteigert und in den Mittelpunkt gerückt. Zum Anderen hat sich durch das Schreiben der Wunsch entwickelt, bebildern zu können, was ich mir ausdenke – vermutlich auch, um für das, was das geschriebene Wort nicht wiedergeben kann, einen Ausdruck zu finden.
Es hat danach noch total lange gedauert, bis ich vom Berufswunsch der klassischen Buchillustratorin und dem Schreiben als Privattätigkeit aufs Comicmachen gekommen bin. Und ich dachte auch eher, dass ich mich irgendwann für eins entscheiden müsste. Aber wenn ich jetzt auf diesen Dualismus meiner beiden Lieblingsbeschäftigungen zurückschaue, wirkt es fast wie eine Notwendigkeit, am Ende beim Comic herausgekommen zu sein, der das Schreiben und Illustrieren in sich vereint.
Du hast einen wunderbar leichten, trotzdem nie fahren Zeichenstrich, der mich sehr an den französischen Zeichner Cyril Pedrosa erinnert. Kannst du uns ein bisschen über deine Vorbilder – im Comic, aber auch anderen Kunstgattungen und Medien – und die Genese deines Stils erzählen? Wie wichtig sind Kolorierung/das Spiel mit Farben für dich?
Michèle Fischels: Wow, das ist einfach mal ein extrem schmeichelhafter Vergleich, ich freu mich sehr – zumal, da ich einige von Pedrosas Arbeiten auch in meiner Inspirationsgalerie gespeichert habe. Mein Einstieg in die Graphic Novel Welt erfolgte mit Bastien Vivès‘ Comic "Polina" (und ein paar seiner anderen Werke). Auch Gipi hat, wie Vivès, diese Leichtigkeit im Strich und Zeichner wie Mikaël Ross schaffen es wiederum, dieser Leichtigkeit noch so einen unglaublichen Humor hinzuzufügen.
Oft sind es vor allem diese locker hingeworfenen Zeichnungen, die mir Spaß machen. Deshalb folge ich auf Social Media einigen Concept Artists (von Disney, Pixar, aber auch kleineren Filmstudios), die ich über ihre wunderbaren Entwürfe von Figuren kennengelernt habe. Hier hab ich in den letzten Jahren viel Juliaon Roels‘ Skizzen studiert. Bei der MSD habe ich im Bewerbungsgespräch zum Bachelorstudium den Illustrator David Roberts genannt, den ich damals von seinen charmant skurrilen Schwarz-Weiß-Kinderbuchillustrationen kannte (man fühlt sich dabei auch an Edward Gorey erinnert). Vor meiner "Comicära" war ich ja lange Jahre ausschließlich in der Buchillustration verhaftet, liebe alte Märchenillustrationen – sowohl die kitschigen als auch die zeitlos schönen von Kay Nielsen oder die von Iwan Bilibin.
Und erst jetzt komm ich so langsam zum Thema Farbe. Ich würde nicht einmal sagen, dass mir Farbgestaltung weniger bedeutet als der Strich, komme aber im Wiedergeben meiner Vorbilder immer wieder an den Punkt, dass ich beim ersten Eindruck vielleicht unbewusst mehr auf die Linienführung achte als auf die Kolorierung. Wen ich für Letzteres sehr feiere, ist Jon Klassen. Aber sowohl bei ihm als auch bei Isabelle Arsenault klingt beides, Linie und Farbe, perfekt zusammen, das ist alles sehr köstlich für die Augen.
Alle Künstler:innen, von denen ich mir gerne was abschaue, beherrschen vor allem das clevere Reduzieren; sie zeichnen subtil, dynamisch, mit Humor und auch mit Mut zum Weg- und Sostehenlassen. Ich möchte meinen Strich mit Mühelosigkeit machen können, gleichzeitig Komplexes mit möglichst wenigen Linien einfangen und mir auf diese Weise spielerisch neue Sujets aneignen. Bis dahin ist noch sehr viel Übung nötig. Vermutlich bewundere ich Ballett so sehr, weil es da um etwas Ähnliches geht – man steckt eine unglaubliche Mühe und Arbeit da hinein, dass alles am Ende leicht und mühelos aussieht.
"Outline" erzählt von drei jungen Menschen kurz vor dem Abitur, Ben und Andreas, die als Heranwachsende beste Freunde waren, aber seit einiger Zeit zerstritten sind, und Clara, die mit Ben zusammen ist. Wie kamst du auf die Idee zu dem Band und warum wolltest du die Story als dein Abschlussprojekt umsetzen?
Michèle Fischels: Ganz offen gestanden: Das Treatment für "Outline" war fertig, bevor ich meinen Master angetreten habe. Tatsächlich saß ich schon am Storyboard also am Aufbau der Seiten und den Skizzen zum Inhalt, als das Studium anfing. Mit längeren und kürzeren Pausen hat diese Konzeptionsphase ein ganzes Jahr in Anspruch genommen (das ist für mich auch der anstrengendste Part, weil ich in keinem anderen Stadium desselben Comics wieder einer leeren Seite gegenübersitze und aus dem Nichts ein Alles zeichnen muss). Als das geschafft war, ging es auch schon im Studium ans Überlegen, was das Abschlussprojekt sein könnte. Während ich mir bis dahin noch andere Optionen diesbezüglich offengehalten hatte, war ich gedanklich zu diesem Zeitpunkt so tief von "Outline" eingenommen, dass ich mich längerfristig auf nichts anderes konzentrieren wollte. Ich hätte "Outline" in dieser Zeit so oder so gezeichnet – es wäre nur schwieriger geworden, wenn meine betreuenden Dozenten das Projekt nicht abgenickt hätten und ich zusätzlich noch etwas anderes als Abschlussarbeit hätte machen müssen (wie ich mich kenne, hätte ich zur Not eher den Abschluss aufgeschoben als den Comic). Ich wusste, dass eine so lange Geschichte für mich als langsame Zeichnerin zeitaufwändig werden würde. Der Master hat mir in seiner späteren Phase genau den Freiraum gegeben, den ich dafür brauchte – unter dem Schutzdach des Studiums ungestört an nichts anderem als an meinem Projekt arbeiten zu können. Bedrohlich kriegt man ja auch im Studium noch den Satz zu hören: "Du wirst in deinem Leben nie wieder so viel Freizeit haben wie jetzt." Schaurig.
Was "Outline" so subtil wie bewegend einfängt, ist das diffuse, aber nicht unbedingt unangenehme Lebensgefühl von jungen Menschen kurz vor dem Ende ihrer Schullaufbahn, der Blick in eine ungewisse Zukunft, in dem sich Angst und Vorfreude überlappen. Für mich beim Lesen war das wie eine Zeitreise und hat viele Erinnerungen an die eigene Abizeit geweckt ... Als Masterprojekt entstand "Outline" zu großen Teil auch in einer Umbruchszeit zwischen Uni und Arbeitswelt - in wie weit haben diese Eindrücke deine Narration geprägt? Und was war dir persönlich wichtig in der Darstellung dieser besonderen Lebensphase?
Michèle Fischels: Dieses zuweilen unbehagliche Gefühl, nach dem Abschluss so ein bisschen in ein schwarzes Loch des Unbekannten zu blicken, ist dem Uni- und dem Schulende gemein. Abgesehen davon habe ich für Outlines "Vibe" wirklich aus den Gefühlen, Erinnerungen und der Wehmut (!) der Schulzeit geschöpft. Erinnerungen, die mich manchmal völlig aus dem Nichts überfallen – vielleicht ausgelöst durch eine Lichtstimmung oder einen Geruch – und die dann so lebendig und intensiv werden, dass es ehrlich gesagt schwer zu ertragen ist (wie ein Muskelkrampf). Und auch, wenn "Outline", was die Figuren und deren Plot angeht, nichts Autobiografisches hat, ist die letzte Phase der Schulzeit eine, die ich für immer vermissen werde – zu der die emotionale Verbindung immer noch so stark ist, dass sich das wieder gut in etwas Kreativem verarbeiten lässt.
Was mir wichtig war: So wie ich die Skizze liebe, schaue ich jetzt auch auf die Schulzeit zurück, während der sich Zukunftsgedanken und -pläne als lose Ideen im Kopf entwickeln, aber noch Entwurf bleiben dürfen. Alle Möglichkeiten sind offen. Einerseits wird es nach dem Schulabschluss wohl oder übel Zeit, die erste große Entscheidung fürs Leben zu treffen, aber die Optionen breiten sich zugleich noch wie ein Kosmos aus (vielleicht idealisiert das die Sache auch zu sehr – in der Praxis kommt einem die Wahl vermutlich deutlich begrenzter vor).
Grundsätzlich war es mir wichtig, am Ende ein wenig diese irgendwo gesellschaftliche Erwartung zu hinterfragen, nach der Schule konkrete Ideen fürs weitere Leben haben zu sollen. Das verhindert oft, dass diese vielen theoretisch vorhandenen Möglichkeiten mehr ausgenutzt werden und sich auf eine Phase des Trial-and-Error eingelassen wird, ehe man sich selbst gut genug kennt, um eine womöglich längerfristige Richtung einzuschlagen. Ich habe immer noch den Eindruck, es wird zu sehr erwartet, dass Jugendliche nach dem Schulabschluss fertige Menschen sind.
"Wie Ken und Barbie", sagt Andreas über Ben und Clara. Die beiden sind das ins Klassengefüge perfekt integrierte Superpaar – Andreas ein Außenseiter, der nur vermeintlich selbstbewusst ist. Kannst du uns ein bisschen über deine drei Protagonist*innen und ihre Beziehungen untereinander erzählen? Welche Charakteraspekte waren dir bei den dreien am wichtigsten?
Michèle Fischels: Die Figuren fingen seinerzeit eigentlich nur mit A, B & C an. "B & C sind zusammen, aber das gefällt A nicht.“ Ich war bei der Findung der Charaktere an einer Art kreativem Nullpunkt, von wo aus ich keine komplexe Handlung spinnen, sondern einfach eine simple klischeehafte Alltagsgeschichte erzählen wollte mit Figuren, die eher Konzepte sind. Der ursprüngliche Dreh- und Angelpunkt dessen war ja die (Kindheits)freundschaft der Jungs. Da sind zwei Figuren, die fast polare Gegensätze zueinander bilden. Ich habe sie mir immer so vorgestellt, dass sie in ihrer Kindheit irgendwo beide – auf unterschiedliche Weise – sozial unbeholfen waren. Das macht sie im Klassenverbund nicht unbedingt beliebt, aber in diesem Fall zu einem unzertrennlichen Duo, das seine eigene Sphäre an Interessen und Eigenarten teilt.
Also Ben, der Quirlige, Aufgedrehte und Andreas, der etwas Zurückhaltendere, Bedachtere. Ben hat diese sprühende Energie, diesen Tatendrang. Andreas hat wiederum die Nüchternheit, vielleicht auch Vernunft, die Ben runterbringt. Andreas‘ melancholisches Gemüt wird durch Bens enthusiastische Art aufgebrochen. Eigenschaften wie Nachdenklichkeit und das etwas kühle Temperament sind mit einem Konterpart wie Ben, den man sich als Kind eher hyperaktiv vorstellt, der ideale beidseitige Ausgleich.
Für "Outline" habe ich das Gedankenexperiment fortgesetzt und mich gefragt, wie die beiden Persönlichkeiten getrennt voneinander sozial funktionieren – im Hinblick darauf, wie die Pubertät sie nach ihrem Bruch weiterformt. Ben ist ein Typ, der immer auf die Füße fällt. Der nie einen Plan hat oder so richtig aufpasst, aber dafür einen unfassbaren Dusel hat, der ihn am Ende immer ungefähr an dem Punkt herauskommen lässt, wo er irgendwann mal leichthin gesagt hat, dass er da hinmöchte. Er hat kein Problem, seine Gefühle zu zeigen. Seine hohe soziale Intelligenz (in der Oberstufe sind häufig auch einfach andere Eigenschaften ausschlaggebend für „Beliebtheit“ als in der Unter- und Mittelstufe) ist ein Faktor, der ihm einen großen Freundeskreis einbringt. Ich kannte mal jemanden mit dieser ungeheuren Fähigkeit, seinem Gegenüber immer ein gutes Gefühl zu geben von Wertschätzung und Sympathie, ohne dass dieser jemand sich hätte einschmeicheln oder dafür selbst herabsetzen müssen. Das ist für mich Ben-Essenz.
Clara zu entwickeln war herausfordernd. (Wie erwähnt, die Charaktere basierten anfangs rein auf Konzepten und hatten lange nicht einmal Namen.) Charakter C war erstmal wie ein Instrument, um Bewegung und Spannung in das Verhältnis von A & B zu bringen. Allein, weil ihr diese Rolle zukam und sie eine ewige Zweierfreundschaft aufgemischt hat, hatte Clara eine schwierige Startposition in puncto Sympathie. In "Outline" kommt es da ganz wunderbar, sie nicht aus der gefärbten Sicht von einem der Jungs, sondern für sich stehend zeigen zu können. Bei Clara besteht der Balanceakt darin, jemanden zu porträtieren, der weiß, was er will und sagt, was er denkt (Das wird bei weiblichen Figuren im Gegensatz zu den männlichen ja oft immer noch gern eher negativ wahrgenommen), ohne dass das diesen Beigeschmack von "zickig" oder tyrannisch bekommt. Sie ist lebhaft, neugierig, kommunikativ – was wiederum Eigenschaften sind, die sie mit Ben eint.
Clara hat mehr Ehrgeiz als Ben, ist organisierter, teilt wiederum aber seine Geselligkeit. Im Verbund wirken sie vielleicht wie das Superpaar, weil Schulzeit viel aus dem sozialen Miteinander besteht und sie dabei punkten. In der Beziehung bietet Ben die Beständigkeit, Clara sucht nach dem Neuem, der Abwechslung. Ähnlich wie zuvor mit Andreas haben beide miteinander eine sich ergänzende Dynamik, aber wie zuvor tritt auch hier die Frage in den Raum, ob ihre unterschiedliche Ausrichtung sie immer vereinen wird.
Andreas ist jemand, der es zu jedem Zeitpunkt theoretisch besser weiß, aber zu jedem Zeitpunkt gegen sich selbst verliert. Ihm fehlt für sein Gemüt der Ausgleich, den er vorher mit Ben hatte. Was er gern hätte, kann er nicht bekommen, und für diesen unlösbaren inneren Konflikt sucht er ungesunde Ventile. Seine Art ist letzten Endes die Konsequenz daraus, dass er nicht gegen sich selbst ankommt und sich dafür in gewisser Weise bestraft. Alle Figuren sind in unterschiedlich glücklichen Phasen ihres Lebens. Bei allen Dreien ging es mir trotzdem darum zu zeigen, dass sie sich entwickeln können – dass sie mehr sein können als die Archetypen, die sie auf den ersten Blick repräsentieren und als die sie angefangen haben.
Interessant fand ich auch, dass du bis auf einige wenige Szenen an der Schule und bei Andreas‘ Nebenjob keine Erwachsenen auftreten lässt. Vor allem Eltern spielen weder bei Ben, Clara noch Andreas, der von allen Figuren am orientierungslosesten wirkt, keinerlei Rolle. Es wirkt, als würden die Jugendlichen in ihrer eigenen Welt leben, die Selbstständigkeit, die sie nach dem Abi herbeisehnen, ist längst schon Teil ihres Alltags.
Michèle Fischels: Ich hoffe, das wirkt nicht wie eine unangebrachte Parallelisierung – ich war vor einigen Jahren im Anne Frank Haus in Amsterdam. Und da war ein Video, in dem Otto Frank erzählt, dass er immer ein vertrauensvolles Verhältnis zu seiner Tochter gehabt hat und trotzdem musste er beim Lesen ihres Tagebuchs feststellen, dass er im Grunde genommen überhaupt nicht wusste, was alles (Tiefes) in ihr vorging. Selbst er mit dem sehr guten Draht zu seiner Tochter kommt am Ende also zu dem Schluss, dass die meisten Eltern ihre Kinder nicht wirklich kennen.
Das fand ich sehr bewegend und wahr. Klar gibts die ewig mit den Eltern zerstrittenen Jugendlichen, bei denen es auf den ersten Blick nicht weiter verwundert, wenn die erwachsene Gegenseite vom Leben ausgeschlossen wird. Was Otto Frank aber wiedergegeben hat, zeigt eindrücklich, dass die Leben von Heranwachsenden irgendwann so komplex und weitverzweigt werden, ihre Innenwelt sich so sehr ausdehnt, dass selbst nahestehende Erwachsene keinen annähernd kompletten Zugang dazu haben (können). Am dringendsten schien mir für "Outline" die Diskussion über die Verantwortung, die den Figuren für ihr Leben spätestens mit dem Schulabschluss übergeben wird; und so wie sie ihre Orientierung selbst finden müssen, ist auch diese Verantwortung etwas, das sie allein tragen.
"Outline" ist ein seltenes Beispiel für einen Jugendcomic, der sowohl Jugendliche als auch Menschen allen Alters, die über Jugendliche lesen wollen, ansprechen dürfte. Wie ist denn das bei dir, wenn du deine Szenarios schreibst - hast du eine/n bestimmte/n Leser*in im Kopf – schreibst du für ein bestimmtes Alter?
Michèle Fischels: Das klingt kurz mal brüsk, aber zuallererst schreibe ich für mich. Ich muss/will das Projekt umsetzen, also muss es als Erstes mich begeistern und überzeugen. Dazu auch meine Überlegung, dass wir alle in gewisser Weise auch wieder nicht so einzigartig sind, wie wir gerne wären. Daher klingt es unwahrscheinlich für mich, dass ich die einzige Person auf der Welt bin, die sich für genau diesen Stoff in dieser Aufbereitung interessiert. Soll heißen: Es gibt für alles, auch die abstrusesten Nischen, sowieso schon eine Zielgruppe. (Wirtschaftlich und als Dienstleister gesehen hat die Frage nach der Zielgruppe natürlich trotzdem ihre Berechtigung.) Ansonsten spielen bislang immer Kinder bzw. Jugendliche die Hauptrollen in meinen Geschichten. Wie bei "Outline" würde ich aber nicht sagen, dass diese Personen daher die (einzigen) Adressat:innen sind. Pubertät, egal in welchem Genre eingebettet, ist einfach ein grundsätzlich spannendes, vielseitiges Thema, das wir ja alle auch selbst erleben/erlebt haben.
Gibt es schon ein neues Projekt, an dem du wieder sitzt? Darfst du uns schon ein bisschen darüber erzählen?
Bald findet eine internationale Comicbuchmesse, die ShortBox Comics Fair statt, für die ich einen Kurzcomic zeichnen durfte. Während des Oktobers werden auf der Seite der Messe über 150 Comics von Künstler*innen aus aller Welt für kleines Geld zu kaufen sein. Da sind wirklich nur starke Arbeiten dabei! Mein Beitrag dort geht in die fantastische, märchenhafte Richtung und probiert auch stilistisch nochmal eine andere Abzweigung als "Outline". Am liebsten würde ich mich gern in jeder Arbeit komplett neu erfinden können und so wie es aussieht, bleibe ich in nächster Zeit kreativmäßig auch erstmal beim Comic.
Ich möchte mich gern um Auftragsarbeiten kümmern, aber peu à peu auch meine anderen Geschichten in der Umsetzung angehen, die umfangreicher sind und meinen Kopf schon ewig lang begleiten.